Quelle des Videos: Hamburgische Bürgerschaft

Sehr geehrter Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

heute stehen mehrere Anträge zum Thema geschlechtsspezifischer Gewalt auf unserer Tagesordnung, das zeigt, wie wichtig dieses Thema den demokratischen Fraktionen dieses Hauses ist, meine Damen und Herren.  

Unser Zusatzantrag setzt genau dort an, wo die Grundlage für ein besseres Verständnis und eine wirksame Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt – insbesondere von Femiziden – geschaffen werden muss: bei einer fundierten, genaueren und bundesweit vergleichbaren Datenerhebung.

Femizide sind Tötungen von Frauen aus misogynen und patriarchalen Motiven – Taten, die begangen werden, weil die Betroffenen Frauen sind. Sie sind die extremste Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Istanbul-Konvention verpflichtet uns, diese Taten sichtbar zu machen, zu erfassen und auszuwerten.

Ein Blick in das Bundeslagebild des BKA zeigt den Handlungsbedarf:

2024 wurden 859 Frauen und Mädchen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten. Doch bleibt oft unklar, ob es sich tatsächlich um Femizide handelt.

Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst zwar das Geschlecht der Opfer, nicht aber das Tatmotiv. Ohne die Erfassung der Motivlage sind Rückschlüsse auf geschlechtsspezifische Beweggründe nicht möglich. Zusätzlich müssten Vorgeschichte und Tathergang untersucht werden.

Auch in Hamburg zeigt sich das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt:

2024 waren 290 Frauen und Mädchen Opfer schwerer sexualisierter Gewalt, in fast 80 Prozent der Fälle kannten sie den Täter.

Hamburg hat bereits wichtige Schritte unternommen, um die Datenlage zu verbessern.

 Die Justizbehörde führt eine eigene, tiefgehende Auswertung rechtskräftiger Urteile durch, in denen Männer wegen versuchter oder vollendeter Tötung von Frauen verurteilt wurden. Anders als in der polizeilichen Kriminalstatistik, kann hier die Motivlage geprüft werden, weil die Urteile Feststellungen zur Vorgeschichte, zum Tathergang und zu den inneren Beweggründen enthalten.

Seit 2023 werden die Erkenntnisse im Factsheet „Opferschutz“ veröffentlicht – sensibel und ohne unnötige Unterkategorien, um Betroffene nicht identifizierbar zu machen.

Ergänzend arbeiten Justizbehörde und LKA daran, auch Ermittlungsakten systematisch auszuwerten.

Zudem wird das Factsheet kontinuierlich ausgebaut: Kinder, Frauen mit Behinderungen, queere Menschen, geflüchtete Frauen und andere besonders gefährdete Gruppen werden zunehmend genauer abgebildet. So entsteht ein vollständigeres Bild davon, wo geschlechtsspezifische Gewalt besonders häufig auftritt und welche strukturellen Ungleichheiten adressiert werden müssen.

Unser Antrag beinhaltet die Weiterentwicklung des Factsheets.

Damit schaffen wir eine solide Grundlage, die nicht nur für Hamburg relevant ist, sondern auch zur Erfüllung der Verpflichtungen der Istanbul-Konvention beiträgt. Unsere Maßnahmen stärken Transparenz, wissenschaftliche Fundierung politischer Entscheidungen und parlamentarische Kontrolle.

Nun zu den Anträgen der Opposition:

 Die CDU fordert ein integriertes Lagebild geschlechtsspezifischer Gewalt.

Dass Daten wichtig sind, steht außer Frage. Aber Hamburg erhebt bereits umfangreiche Daten, entwickelt sie weiter und arbeitet an bundesweiten Vereinheitlichungen mit. Ein zusätzliches Hamburger Sonderlagebild schafft keine neuen Erkenntnisse, sondern Doppelstrukturen und liefert demnach auch keinen Mehrwert. Es beantwortet nicht die zentrale Frage:

Wie verbessern wir die Datengrundlage qualifiziert und nachhaltig?

Der Antrag der LINKEN fordert eine eigene Monitoringstelle.

Auch hier gilt: Eine parallel aufgebaute Struktur würde nicht zur Präzisierung beitragen.

Sie würde isoliert arbeiten und an bundesweiten Abstimmungsprozessen vorbeigehen, in denen Hamburg längst eingebunden ist. Die Auswertung der Urteile und die Weiterentwicklung des Factsheets sind bereits der richtige Weg. Eine zusätzliche Monitoringstelle würde eher Ressourcen binden als Wissen schaffen.

Geschlechtsspezifische Gewalt sichtbar zu machen, ist Voraussetzung für wirksame Maßnahmen.

Eine belastbare Datenlage ist der Beginn politischer Verantwortung.

Unser Antrag setzt genau dort an.

Vielen Dank!

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