Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

in Hamburg warten zurzeit ca. 190 Menschen auf eine Organspende, Bundesweit 8500. Viele von ihnen im Schnitt bis zu 9 Jahre und viele leider auch vergeblich. Unsere Spendenzahlen sind im Vergleich mit Europa sehr stark zurückgegangen und während und nach der Pandemie sind sie noch weiter gesunken.

Dies hat sicherlich mehrere Gründe.

  • Unter anderem ist der Straßenverkehr sicherer geworden durch moderne Fahrzeuge und einen guten Ausbau,
  • der Arbeitsschutz hat sich verbessert.
  • Aber ein Grund liegt auch im bestehenden Fachkräftemangel auf den Intensivstationen.

Denn dort arbeiten die Transplantationsexperten, die erkennen, ob ein Mensch ein potenzieller Organspender ist oder nicht. Sie führen die schwierigen Gespräche mit den Angehörigen und leiten die Entnahme eines oder mehrerer Organe in die Wege.

Ich habe sehr große Hochachtung vor dieser Berufsgruppe, die die Balance finden muss zwischen der Überbringung der traurigen Nachricht für die Hinterbliebenen und dem Gespräch darüber, dass ihr geliebter Angehöriger mit seinen Organen Menschenleben retten kann. Und dafür steht ihnen nur ein sehr kurzes Zeitfenster zur Verfügung.

Im Januar 2020 stand die Abstimmung zur doppelten Widerspruchslösung im Deutschen Bundestag auf der Tagesordnung.

Aber was bedeutete das eigentlich?

Die doppelte Widerspruchslösung bedeutet, dass die letzte Entscheidung zur Organspende die Angehörigen treffen. Ich persönlich, die mit Menschen Gespräche über Leben und Tod führt, empfinde diese Lösung als zu große zusätzliche Belastung für die Hinterblieben. Für mich kommt deshalb nur eine einfache Widerspruchslösung in Frage.

Aber ist die Gesellschaft bereit sich mit diesem Thema auseinander zu setzen?

Sind es dann doch am Ende die Hinterbliebenen, die erschüttert sind, wenn sie erfahren, dass ihrem Angehörigen Organe entnommen werden, weil er sich zu Lebzeiten nicht in ein Register hat eintragen lassen oder eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht ausgefüllt hat.

Die Zweifel, mit denen sich die Mutter oder der Vater quälen, ob eine Organentnahme im Sinne ihres Kindes ist, sind eine große zusätzliche Belastung in der Trauer.

Deshalb sind die wichtigsten Punkte, um die Organspendenbereitschaft zu erhöhen, eine Vereinfachung der Willensbekundung und Aufklärung.

Wir haben schon sehr viele Menschen an unserer Seite. 88 Prozent der Norddeutschen stehen der Organspende positiv gegenüber. Wenn wir denen den Schritt zur schriftlichen Willenserklärung erleichtern, sind wir schon ein gutes Stück weiter. Dafür brauchen wir eine bessere und umfangreichere Aufklärung.

Ein sehr guter Schritt ist die Verankerung der Beratung im Leistungskatalog der Krankenkassen. Hausärztinnen und Hausärzte können seit nunmehr über einem Jahr Informationsgespräche über die Organspende abrechnen.

Ich verstehe aber nicht, warum dann auf der Krankenkassenkarte nicht dokumentiert werden kann, ob eine Bereitschaft besteht oder nicht. Das wäre eine große Erleichterung für viele Menschen.

Wir wollen an die Schulen gehen und Aufklärung zur Organspende zum Teil des Unterrichts werden lassen, aber vor allen Dingen müssen wir  den Rest der Bevölkerung erreichen.

Denn sind wir mal ehrlich, wann und wo begegnet der normalen Bürgerin und dem normalen Bürger das Thema außer hier und dort mal auf einem Plakat oder in einem Bericht und alljährlich, pünktlich zum Tag der Organspende, mit einer Befassung in den Parlamenten.

Wenn wir nach Wegen suchen, die Zahl der Spenderinnen und Spender zu erhöhen, können wir uns selbstverständlich auch an Ideen und Erfahrungen aus dem Ausland bedienen.

Aber eins muss klar sein. Was anderswo gut läuft, muss nicht automatisch auch in Deutschland funktionieren. Wir müssen den Weg finden, der zu unseren Rahmenbedingungen und zu unserer Gesellschaft am besten passt.

Trotz all dem sind uns auch bei hoher Spendenbereitschaft Grenzen gesetzt. Nicht jeder Mensch ist aus unterschiedlichsten Gründen als Organspender geeignet.

Auch Patientenverfügungen, die eine künstliche Beatmung ausschließen, verhindern eine Organspende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich wünsche mir, dass sie sich beim Thema Organspende die Entscheidung nicht zu leicht machen. Bitte informieren Sie sich gründlich, bevor Sie einem Antrag zustimmen, ein Gesetz verabschieden oder eine Liste unterschreiben. Machen Sie sich vorher klar, welche Konsequenzen das für die Handelnden, die Spendenden und die Empfangenden der Spende hat. Denn hier geht es, ganz in Gegensatz zu vielen anderen Dingen, die wir  entscheiden, tatsächlich um Leben und Tod.

Vielen Dank!

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