*** Rede-Manuskript ***
Sehr geehrte/r Präsident/in, sehr geehrte Damen und Herren,
fast in jeder Bürgerschaftssitzung debattieren wir den Tagesordnungspunkt zur Eindämmungsverordnung. Meine Fraktion hat mir schon mehrfach die Gelegenheit gegeben, an dieser Stelle wichtige Themen in der Pandemie anzusprechen. Wie die Situationen in den Krankenhäusern, die Situation meiner Berufskolleginnen und Kollegen in der Pflege. Die Schwere der Erkrankung, die Mutation, die Gefahr der Ansteckung und das, was mit Long-Covid noch auf unsere Gesellschaft zukommt.
Aber heute möchte ich über den meines Erachtens wichtigsten Baustein in der Bekämpfung der Pandemie nicht nur in Hamburg, in Deutschland, in Europa, sondern weltweit aufmerksam machen.
Das ist, neben dem Testen und dem Impfen, die Solidarität,
meine Damen und Herren.
In meiner Rede in der Aktuellen Stunde habe ich vom Hamburger Weg gesprochen. Den konnten wir bislang nur gehen, weil wir uns auf die Solidarität und den Zusammenhalt der Hamburgerinnen und Hamburger untereinander verlassen konnten. Wir dürfen uns jetzt auf den letzten Metern nicht auseinanderbringen lassen und Wohlhabende gegen Ärmere oder Lehrer gegen Einzelhändler ausspielen. Wir müssen den Weg gemeinsam zu Ende gehen und dürfen dabei nicht die verlieren, die von der Pandemie schwerer getroffen sind als andere, meine Damen und Herren.
Da wird zum Beispiel beobachtet, wie Menschen aus gewissen Kulturkreisen öfter auf Intensivstationen aber seltener im Impfzentrum gesehen werden.
Mir ist unbegreiflich, wie man im Jahr 2021 in Deutschland noch Menschen anhand ihres Aussehens oder Ihres Namens in Schubladen stecken und ihnen bestimmte Verhaltensweisen unterstellen kann. An der einen Stelle fordert man Fakten und genaue Zahlen. An der anderen genügen dann dünne Datenlagen, bloße Vermutungen oder der Geburtsort der Großmutter als Diskussionsgrundlage.
Darum müssen wir bei unseren Aufklärungsaktionen besonders darauf achten, dass wir die Menschen in erster Linie informieren und nicht plakativ auf eine Gruppe zeigen und sie unterschwellig zu Treibern der Pandemie machen. Wir dürfen aus Opfern keine Täter machen, meine Damen und Herren.
Dass Menschen in sozialen Brennpunkten ein erhöhtes Risiko für schwere Erkrankungen haben, ist übrigens keine neue Erkenntnis. Das sind Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen oder Hypertonie. Die Impfverordnung bildet ja gerade das in ihrer Reihenfolge ab. Dazu haben auch Menschen, die aufgrund ihrer Arbeits- oder Lebensumstände ein deutlich erhöhtes Risiko haben, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, erhöhte Priorität bei der Impfreihenfolge.
Außerdem hat Hamburg sehr wohl auch die sozial schwächer aufgestellten Teile der Stadt im Blick. Die Sozialbehörde ist seit Langem in Gesprächen mit Trägern, Vereinen und Arztpraxen vor Ort und das schon weit bevor anderen aufgefallen ist, dass man daraus ein Wahlkampfthema machen kann
Meine Damen und Herren,
es wird zusätzliche Impfstoffdosen aus dem Kontingent des Impfzentrums für „ausgewählte“ Arztpraxen geben, damit wir in den Stadtteilen mit geringer Praxis-Dichte zügiger vorankommen. Und die Dezentralisierung des Impfzentrums an Standorte von Krankenhäusern wird ihr Übriges tun, um auch Menschen, die keinen Hausarzt haben, zu erreichen.
Es ist aber auch notwendig, dass wir an der Impfreihenfolge festhalten, solange nicht ausreichend Impfstoff vorhanden ist. Die ständige Impfkommission hat die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe mit der Gefahr der Infektion und Weitergabe des Virus und dem Ausfall von Mitarbeitern in systemrelevanten Bereichen klug abgeglichen. Sie hat dabei auch auf Hinweise aus der Bevölkerung reagiert und ihre Empfehlung aktualisiert.
Es wäre das absolut falsche Signal an die gefährdeteren Menschen und in der Pandemiebekämpfung auch völlig sinnfrei, wenn wir diese Priorisierungen zu Gunsten von zahlreichen Wählerstimmen von Menschen, die keine Priorisierung haben, jetzt aufgeben.
Mit welchem Recht wollen wir zum Beispiel den Beschäftigten im Lebensmitteleinzelhandel ihre Priorisierung wieder wegnehmen. Nachdem sie sich über ein Jahr für uns der Gefahr einer Infektion ausgesetzt haben.
Ihr wichtiger Beitrag ist in letzter Zeit kaum mehr angesprochen worden. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich auch bei ihnen für ihren Einsatz bedanken, meine Damen und Herren.