Am 23.09.2014 habe ich in der Harburger Bezirksversammlung einen Redebeitrag zum Antrag XX-95 „Öffentliche Unterbringung im Harburger Binnenhafen“ gehalten: Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste. Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als Person, die „… aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will…“ Zurzeit gibt es zudem ca. 34 Kriege und Konflikte weltweit. Einige von ihnen dauern seit Jahrzehnten an. Humanitäre Katastrophen zwingen die Menschen ihre Heimat zu verlassen. Momentan befinden sich laut UNHCR ca. 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. In die Türkei sind nach der letzten Öffnung der Grenze zu Syrien innerhalb von 24 Stunden 130.000 Menschen geflohen. Insgesamt hat die Türkei seit dem Beginn des Bürgerkrieges 1,5 Millionen Syrern Zuflucht gegeben. Im Nahen Osten sind allein 6,5 Millionen Flüchtlinge registriert. Innerhalb der EU hat Italien im laufenden Jahr 2014 bis zu diesem Zeitpunkt 118 000 Menschen aufgenommen. Die meisten kommen über die Insel Lampedusa, viele erreichen nicht einmal diese, da sie bereits bei der Überfahrt ihr Leben gelassen haben. Nach bisherigen Schätzungen werden in Deutschland bis Ende des Jahres 200.000 Menschen Zuflucht gesucht haben. Etwa 3 Prozent der Flüchtlinge werden auf Hamburg verteilt. Tatsächlich kommen allerdings weit mehr Flüchtlinge nach Hamburg als die erwähnten drei Prozent, die dann nach einer Prüfung auf andere Bundesländer verteilt werden. Städte wie Hamburg und die Gemeinden in Deutschland stehen damit vor einer gigantischen Aufgabe. Hamburg stellt für dieses Jahr zusätzlich 150 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung und dies wird nicht das Ende sein. Auch wir im Bezirk stellen uns ohne Wenn und Aber dieser humanitären Aufgabe. Zurzeit suchen bis zu 100 Personen täglich die Zentrale Erstaufnahme in Harburg auf. Die Menschen werden dort aufgenommen, überprüft, ärztlich untersucht, ihr Status wird festgestellt und ihnen wird im Anschluss eine öffentlich-rechtliche Unterkunft zugewiesen. „Hamburg hat so einen Andrang wie derzeit nicht mehr erlebt, seit dem Bosnien-Krieg der Neunzigerjahre“, sagt Christoph Holstein, Sprecher des Senats. Beantragten Anfang 2013 noch etwa hundert Menschen pro Monat Asyl in der Hansestadt, kommen laut Holstein zurzeit Monat für Monat 500 bis 700 Schutzsuchende dazu. Darauf war die Stadt nicht eingestellt – konnte es auch nicht sein, da diese dramatische Entwicklung in vielen Krisengebieten so nicht voraussehbar war. Es fehlt an Sachbearbeitern, Sozialhelfern – und vor allem an Quartieren. So müssen in den Hamburger Erstaufnahmeunterkünften zurzeit viele Menschen in Zelten nächtigen, weil es nicht genug Plätze gibt. 900 Asylbewerber sollten längst von hier weggezogen sein, doch es fehlt an Folgeunterkünften für sie. „Wenn wir nicht handeln, gerät das hier aus den Fugen“, so Holstein in einem Zitat aus Spiegel Online vom 20.9.2014. Hamburg ist eine attraktive Großstadt und Wirtschaftsmetropole, die sich großer Beliebtheit erfreut. Viele Menschen aus allen Teilen der Bundesrepublik und der Welt, die hier lernen, studieren, arbeiten und leben wollen, suchen Wohnraum. Weil diese Entwicklung in den 2000er Jahren unterschätzt wurde, die Priorität nicht beim Wohnungsbau lag, gibt es nun zu wenige Wohnungen in der Stadt. Dies gilt für die Hamburger Neubürger aus anderen Bundesländern, sowie für wohnungslose Hamburger, neugegründete Familien und nicht zuletzt auch für die Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber, die spätestens nach einem Jahr aus der Folgeunterkunft in den freien Wohnungsmarkt gehen könnten. Deshalb ist das Wohnungsbauprogramm des Senats, welches in dieser Legislaturperiode aufgelegt wurde, unumgänglich. Im Prinzip sind 6000 Wohnungen pro Jahr noch zu wenig… Zurzeit leben in der Schnackenburgsallee bis zu 400 Menschen in Zelten und in Harburg können momentan bis zu 194 Menschen in Zelten untergebracht werden. Bis Ende des Jahres werden in Hamburg außerdem mind. 3500 Plätze in Folgeeinrichtungen fehlen. Die am häufigsten gestellte Kritik lautet: hätte die Stadt sich nicht besser vorbereiten können? Laut einer Senatsmitteilung haben 2009 1971 Menschen einen Asylantrag gestellt davon mussten 363 Menschen in öffentlich rechtlichen Unterkünften untergebracht werden. 2013 waren es 7833 Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben und davon mussten 3010 Menschen untergebracht werden. Das bedeutet, dass die Zahl der Asylanträge sich in fünf Jahren vervierfacht hat und die Zahl der Unterzubringenden hat sich sogar verzehnfacht…. Unser aller Ziel muss es sein, den Menschen, die in Not geraten sind, die zurzeit heimatlos, teilweise zutiefst traumatisiert sind, ein Mindestmaß an Menschlichkeit in Form von festen Wänden zu bieten. Zelte können hierbei keine Lösung sein. Nicht nur, aber auch weil der Winter bevor steht. Der Stadt ist es nicht gelungen, in kürzester Zeit genügend Container oder Modulhäuser zu errichten, deshalb greift sie in dieser Notlage auch auf Wohnschiffe und Pontons mit Containern zurück. Diese Art von Unterbringung ist, wie die Erfahrungen aus den 90er Jahren lehren, keine optimale Lösung. Harburg ist ein Bezirk mit Wasserflächen, die geeignet sind um Wohnschiffe so wie Pontons vor Anker zu legen. Allerdings bestehen diese Wasserflächen nicht nur aus dem Binnenhafen, dem Kanalplatz, dem Lotsekai oder dem Treidelweg. Diese Flächen sind von der Lage her sehr „öffentliche“ Flächen. Sie sind prädestiniert dazu, den Flüchtlingen das Gefühl zu geben noch weniger Privatsphäre zu haben. Ähnlich wie auf dem Neuländer Platz, wo Passanten täglich an den Zelten vorbei gehen müssen. Die Menschen fühlen sich zu Recht beobachtet und beeinträchtigt. Die SPD-Fraktion befürwortet, als Alternative zu Zelten, nur im Notfall Wohnschiffe. Allerdings nicht an den Orten, die die Behörde vorgesehen hat. Wir schlagen für diesen Notfall den Ziegelwiesenkanal westlich des Binnenhafengebietes oder andere Liegeplätze vor. Allerdings erwarten wir vom Senat, die bereits genannten Flächen in Bostelbek, Sinstorf, an der Schlachthofstrasse und in Neuwiedenthal die P&R Fläche sofort herzurichten, so dass eine Unterbringung in Wohnschiffen schnellstmöglich obsolet wird. Wir sehen die Notwenigkeit dieser Maßnahme als Notmaßnahme, nicht aber als langfristige Unterbringungsmaßnahme an. Wir fordern den Bezirk auf, die Sanierung des Ziegelwiesenkanals umgehend auf den Weg zu bringen. Zitat aus der Hamburger Morgenpost vom 20.09.2014:Ein Bewohner, der in der Flüchtlingsunterbringung Lagenhorn mit seiner Familie zu viert in einem 15 Quadratmeter großem Zimmer untergebracht ist:„Es ist eng. Ja. Aber was ist das im Gegensatz zu dem, was wir erlebt haben? Dieser Raum ist unser Paradies. Hier müssen wir endlich keine Angst mehr haben“. Um am Ende eines noch einmal deutlich zu machen: In Anbetracht der Flüchtlingsströme, der Bürgerkriege, der weltweiten Auseinandersetzungen und Katastrophen, sind wir uns unserer Verantwortung für die Menschen, die es schaffen in unser Land zu gelangen, mehr als bewusst. Verglichen zu Ländern wie dem Libanon, Jordanien, der Türkei, haben wir einen Bruchteil der Flüchtlinge aufgenommen, die in diesen Ländern beherbergt werden. Wir haben darüberhinaus im Vergleich zu Italien keine Außengrenzen, die an Krisenregionen dieser Welt grenzen. Wir sind umgeben von sogenannten sicheren Drittstaaten. Umso mehr sind wir aufgefordert, uns unserer Verantwortung zu stellen und die Flüchtlinge, die unser Land erreichen, menschenwürdig unterzubringen und zu integrieren. Darüber hinaus sollten wir uns aber auch fragen, ob eine Unterbringung von knapp 1200 Menschen in einem relativ kleinen Sozialraum, dazu tatsächlich positiv beiträgt. Wir müssen darauf dringen, dass die Unterbringung in Zelten, auf Wohnschiffen und in Containern auf öffentlichen Plätzen darauf beschränkt bleibt, eine zeitlich befristete Notlösung zu sein! Vielen Dank!